* von Roland M. Horn
Das Phänomen der Marienerscheinungen kommt - besonders in katholischen Gebieten - verhältnismäßig häufig vor. Der sicherlich bekannteste Erscheinungszylus fand in Fatima/Portugal in den Jahren 1916 und 1917 statt, als drei Hirtenkinder eine Reihe von Marienerscheinungen hatten und mit der erscheinenen Gestalt auch sprechen konnten. Die Fatima-Erlebnisse spitzen sich zum Ereignis des sog. Sonnenwunders zu, als mindestens 70.000 Anwesende sahen, wie die Sonne sich "wie ein Feuerrad um sich selbst drehte" und später "sich vom Firmament löste und in Zickzackkurven der Erde zusteuerte".
Autoren wie der leider viel zu früh verstorbene Dr. Johannes Fiebag und Thomas Ritter sind der Meinung, es handele sich bei solchen Erscheinungen um das Auftreten "getarnter" Außerirdischer. Dr. Fiebag bezeichnet spricht von der Mimikry-Hypothese, die "...verlangt, daß sich das gesamte UFO-Phänomen jeweils unseren Vorstellungen von den Handlungen und dem Erscheinbungsbild der uns besuchenden außerirdischen Intelligenz anpaßt."
Fiebag schreibt:
"Die Mimikri-Hypothese besagt nichts anderes, "als daß eine sehr hochentwickelte außerirdische Intelligenz sich auf unser Niveau 'herabbegeben hat', um mit uns kommunizieren zu können. Diese Kommunikation läuft dabei auf verschiedenen Ebenen ab, die wichtigste Ebene jedoch ist jene, die das kollektive Unbewußte erreicht. Die Informationen, die wie erhalten, sind dabei wiederum in bildhafte Vorstellungen 'verpackt'. (...) Auf diese Weise wird gewährleistet, daß a) es während des Kommunikationsprozesses, der letztlich schon über die gesamte Menschheitsgeschichte hin andauert, zu keinen Schockreaktionen kommt, weil das Erscheinbungsbild der Fremden uns irgendwie 'vertraut' ist, und b) uns symbolisch verschlüsselte Informationen erreichen, die wir erst zum richtigen Zeitpunkt werden 'lesen' können. Dies ist eine sehr intelligente Art der Kommunikation mit einer 'primitiven' Spezies wie der unsrigen(...) "
(Fiebag IN: Fischinger 1999, S. 150)
Katholischen Gläubigen sind Bilder von der "heiligen Jungfrau" sicherlich sehr vertraut, doch sie sind der Meinung, es handele sich bei derartigen Erscheinungen zweifellos um die Muttergottes. Für strenggläubige und konservative Katholiken wäre es ein Frevel, die Authentizität der Maria anzuzweifeln oder gar frech zu behaupten, es handele sich bei ihrer Erscheinung um eine Projektion getarnter Außerirdischer.
Von einer Projektion ganz anderer Art gehen kritische Betrachter des Phänomens aus. Für sie ist offensichtlich, daß auf der Basis einer Religion und ggf. eines aktuellen Anlasses bzw. einer Reihe von Anlässen eine Suggestion entsteht, d.h. die Seherinnen glauben nur, das zu sehen, was sie sehen, weil sie es sehen wollen. Und die Anwesenden, die nur zu gerne bereit sind zu glauben, erliegen aufgrund dieser Disposition einer Massensuggestion. Scheinbare Spontanheilungen sind infolge einer hysterischen Reaktion durchaus kurzfristig denkbar.
Eine vierte Erklärungsmöglichkeit wäre ein bewußter Schwindel, bei dem die "Seherinnen" eine charismatische Ausstrahlung besitzen und in der Lage sind, der entzückten Masse schlicht und einfach etwas vormachen. Im Falle des Sonnenwunders von Fatima ist diese Erklärung allerdings kaum haltbar, es sei denn, man kombiniert die dritte und die vierte Erklärungsvariante.
Bei der nachfolgenden beschriebenen Erscheinungsserie geht es um die fortgesetzte Erscheinung der Maria im nördlichen (katholischen) Saarland, die initial im Jahr 1876 auftrat und im Jahr 1999 erneut aufflammte.
Es war der 3. Juli 1876, als die erste Marienerscheinung im nordsaarländischen Marpingen stattfand. Drei achtjährige Mädchen, die auf dem Weg zum von Marpingen aus gesehen nach Osten gelegenen Härtelwald waren, um Heidelbeeren zu pflücken, wurden von der Erscheinung überrascht. Eines der Mädchen, Susanne Leist, befand sich etwas weiter von den Freundinnen im Schatten des Waldes, als sie plötzlich eine blendend weiß gekleidete Frau mit weißem Schleier sah. Die Erscheinung trug auf ihrem rechten Arm ein Kind, das ebenfalls weiß gekleidet war. Um dessen Hals lag ein blaues Band mit einem kleinen Kreuz, das das Kind in seinen Händen hielt. Die Frau blickte mild, aber wehmütig. Als Susanna ihre Freundinnen herbeirief, sahen auch sie die Erscheinung. Die Eltern der Mädchen glaubten ihnen nicht und baten sie, nicht von der Erscheinung zu sprechen.
Am darauffolgenden Nachmittag gegen 16 Uhr gingen die Mädchen erneut zum Härtelwald, um die Erscheinung herbeizurufen. Sie beteten drei Vaterunser, und dann sahen Margaretha und Katharina die Erscheinung, Susanna jedoch nicht. Die Erscheinung verkündete, daß sie "die unbefleckt Empfangene" sei und daß die Kinder beten sollten.
Am Abend gegen 20 Uhr gingen sie noch einmal - diesmal in Begleitung zweier Erwachsener - an die Erscheinungsstelle, und beim dritten Vaterunser sahen Magaretha und Katharina die Erscheinung. Die Mitgekommenen beteten kniend den Rosenkranz. Wieder erklärte die Erscheinung auf Anfrage, daß sie die Unbefleckt-Empfangene sei und daß die Anwesenden beten und nicht sündigen sollten. Ebenfalls sollten sie wieder kommen. Die Mitgekommenen hörten und sahen nichts. Die Kinder allerdings konnten sogar feststellen, daß die Erscheinung ihnen ein Stück weit folgte.
Am 5. Juli ging der Vater Hubertus mit den Kindern und dem Bergarbeiter Nikolaus Rektenwald an die Erscheinungsstelle, und die "Seherinnen" vernahmen aus dem Munde der Erscheinung, daß an dieser Stelle eine Kapelle gebaut werden solle. Am Abend gegen 21 Uhr suchten etwa 100 Menschen den Wald auf, und Maria zeigte sich beim vierten Vaterunser erneut. Auf die Frage, warum nur die Kinder die Erscheinung sehen könnten, meinte sie: "Weil Ihr unschuldige Kinder seit." Niemand außer den Kindern konnte die Erscheinung sehen. Im heutigen Sprachgebrauch könnte man sie durchaus als "Kontaktler" bezeichnen. Kranke sollten gerufen werden, um die Erscheinung anzurühren, dann könnten sie geheilt werden. Obwohl nur die Kinder die Erscheinung wahrnehmen konnten, waren die Anwesenden nun überzeugt, daß es sich bei der Erscheinung tatsächlich um die Muttergottes handele. Barbara, eine Schwester der Katharina Hubertus, die die Erscheinung nicht sehen konnte und ein Fußleiden hatte, berührte nun den Fuß der Erscheinung, und nach einige Tagen ließen ihre Beschwerden nach. Auch der arbeitsunfähige Nikolaus Rektenwald berührte nach den Angaben der Mädchen den Fuß der Maria (denn er selbst konnte ihn ja nicht sehen) und erhielt konkrete Anweisungen, wie, wann und wie lange er beten solle. Es kam nun zu einer Spontanheilung, und bald konnte Rektenwald wieder arbeiten gehen. Er beschrieb seine Heilung, als "walle die Krankheit in ihm auf und nieder, als ziehe sie ihn nach oben und nach unten, und sei dann, an seinem Körper wie eiskaltes Wasser herabgeflossen."
Die Prozedur wiederholte sich bei mehreren Kranken, und das Volk sollte bestimmte Gebete sprechen, deren Wortlaut wiederzugeben ich an dieser Stelle verzichte. Im Volk kam es in der Folge zu heftige Diskussionen zwischen "Gläubigen" und "Ungläubigen".
Am 6. Juli kam es nachmittags zu einer erneuten Heilsession, und abends gegen 22 Uhr konnten in einer Gebetspause zwei Bergleute und zwei Bauern im Alter zwischen 40 und 50 Jahren die Erscheinung sehen. Ein siebzehnjähriges Mädchen konnte immerhin einen weißen Glanz erkennen und fiel in Ohnmacht.
So endete das erste Stadium der Erscheinungen. Die Kinder sahen nichts mehr. Sie wußten jedoch, daß die Erscheinungen vierzehn Monate andauern würde. Der Pilgerzustrom war jedenfalls ungebrochen.
Am 11. Juli kam es zur nächsten Erscheinung, die von zwei Uhr Nachmittags bis zum Abend von den Mädchen wahrgenommen wurde. Die Heilungen nahmen zu, und die Erscheinung teilte den Kindern mit, daß die Kranken Wasser aus der oberen Quelle im Wald nehmen sollten. Diese Quelle, an der bereits die Römer eine Kapelle hatten, wurde von nun an die Gnadenquelle genannt. Am nächsten Morgen ging die Heilungsveranstaltung weiter - 20.000 Menschen hatten sich bis zum Abend im Wald versammelt.
Für den darauf folgenden Tag, einen Donnerstag, sagte die Erscheinung voraus, sie würde "ein Zeichen tun, wie sie noch keines getan hätte".
Nachdem an jenem Tag etliche Anwesende durch das Trinken des "Gnadenwassers" gesund wurden, rückte abends eine Kompanie Soldaten an, die vom Bürgermeister angeführt wurde. Sie vertrieb die Pilger und besetzte das Dorf. Am Abend schützte Maria die betende Menge, wie es heißt, und "bewahrte sie vor der geringsten Wiedersetzlichkeit". Mehr geht aus der Geschichte nicht hervor, doch man war sich sicher, daß dies das Wunder, war, das Maria tags zuvor angekündigt hatte. Für meine Begriffe etwas schwach, aber vielleicht erwarte ich ja auch immer gleich zuviel...
Die Erscheinungen gingen weiter, doch die Eltern ließen die Kinder wegen des Militärs nicht mehr in den Härtelwald. Erst am 21. Juli gelang es Margaretha Kunz, mit ihrer Nachbarin zur Gebetsstätte zu gelangen. Sie sah die Erscheinung und kommunizierte mit ihr. Maria tröstet Magaretha. Die Nachbarin konnte die Erscheinung nicht wahrnehmen.
Am 24. Juli um 20.00 Uhr sah Katharina Hubertus die Erscheinung in ihrem elterlichen Haus. Sie lief nun zu dem nahen Haus des Kunzens, doch Margaretha war nicht zu Hause, aber ihre Mutter suchte sie und rief sie ins Haus der Hubertus. Margaretha kam und erzählte, daß ihr die Erscheinung " bis zu Franzens Haus nachgekommen" sei. Das Kind trat rückwärts in die Küche und sagte: "Die Gottesmutter folgt." Die Kinder fielen auf die Knie und beteten. Als Katharina nach oben ging, um zu schlafen, folgte ihr die Erscheinung.
Am 27. Juli sahen die beiden Kinder die Gottesmutter in der Schule. Tägliche Erscheinungen folgten. Maria erschien nun in der Schule, im Freien, in der Kirche und im Haus.
Das dritte der Mädchen, Susanne Leist, konnte am 7. August selbst auch wieder die Marienerscheinungen wahrnehmen.
Katharina und Susanne sahen zwei Tage später zwei Engel vom Himmel kommen: Einer war goldfarben, während ein anderer eine blaue Farbe hatte und die anderen beiden weiß waren. Anschließend - es war vier Uhr nachmittags - sahen die Kinder noch elf Engel vom Himmel kommen. Insgesamt waren elf Leute anwesend, und die Mädchen erklärten, nun habe jeder einen Schutzengel. Später, am gleiche Tag hielt sich Susanne bei Katharina auf, und beide sahen Maria mit dem Jesus-Kind. Danach sahen sie vom Himmel eine helle Gestalt herabschweben "wie eine weiße Taube". Sie hörten nun auch den aus dem Mätthäus-Evangelium (Kap. 3, V.17) bekannten Satz "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe."
Es geht in dieser Bibelstelle um die Taufe Jesu, bei der "sich der Himmel auftat und der Geist Gottes gleich einer Taube vom Himmel herabfuhr." Wir haben hier also äußerst ähnliche Umstände. Ereignete sich in Marpingen etwas ähnliches wie seinerzeit am Jordan oder hatte die Mädchen bewußt oder unbewußt aus ihrem Bibelwissen geschöpft? Kritisch sei angemerkt, daß in den kanonischen Bibelbüchern allerdings nirgends die Rede von einer "heiligen Jungfrau Maria" ist. Dort wird Maria als eine gewöhnliche Frau geschildert, die z.Z. der Geburt Jesu Jungfrau war, nicht aber zwangsläufig Jungfrau blieb. In der katholischen Theologie ist die ewige Jungfrauenschaft der "Muttergottes" jedoch elementarer Bestandteil, und die Tatsache, daß Jesus zumindest einen (Halb-)Bruder hatte, wird zuweilen so gedeutet, daß Joseph aus erster Ehe einen Sohn hatte. Ganz einfach. In einem apokryphen Werk - einem bibelnahen Buch, das allerdings nicht einmal in dem gegenüber dem evangelischen Kanon großzügiger bemessenen Inhalt der katholischen Bibel enthalten ist, dem Protevangelium des Jakobus, ist tatsächlich die Rede davon, daß Maria selbst jungfräulich empfangen wurde. Und die Erscheinung sagte ja "Ich bin die Unbefleckt-Empfangene". Kannten die Kinder auch das Protevangelium des Jakobus, bzw. wurde daraus gepredigt, obwohl es nicht zum Kanon der "heiligen Schrift" gehört?
Wie dem auch sei, während die Mädchen die Stimme der Maria als ausgesprochen laut empfanden, hörten die anderen Anwesenden nichts. Siebenmal hörten die Mädchen die Maria rufen, bevor sie sich gen Himmel erhob. Direkt im Anschluß sahen die Mädchen die Engel vom Himmel kommen - insgesamt acht an der Zahl. Je mehr Menschen sich der Stelle näherten, desto mehr Engel kamen vom Himmel herabgeschwebt - insgesamt etwa 40.
Am Freitag, den 11. August gingen zwei der Kinder in den Wald und sahen die Maria wieder. Abermals hatte sie das Kind auf dem Arm. Die Mädchen wollten tiefer in den geheimnisvollen Wald eindringen und fragten die Maria, ob er sicher sei. Maria bejahte, und die Kinder stürmten auf die Erscheinung zu, wurden jedoch von den dort aufgestellten Wachen daran gehindert, in Marias unmittelbare Nähe zu gelangen. Die Kinder hatten jetzt die Empfindung, die Rosenhecke, die den Erscheinungsplatz umgibt, sei in Rosenstauden verwandelt worden, die zahlreiche blühende Rosen trügen. Die Mädchen konnten auch die Schutzengel der Soldaten sehen, besonders begeistert waren sie aber von der Erscheinung der "hl. Gottesgebärerin", die sich innerhalb des Rosennwalles zeigte. Wieder sahen sie eine weiße Taube über ihr schweben, und wieder sagte die Erscheinung: "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem habe ihn mein Wohlgefallen." Der Glanz der Erscheinung wurde deutlicher als bisher wahrgenommen.
Es war der 8. September, jener Tag, der in der katholischen Kirche als der Tag der Geburt der Maria gefeiert wird, als die Kinder die Erscheinung erstmals in der Kirche während der Messe wahrnahmen. Sie wurde von Engeln begleitet, und fortan sahen die Kinder sie immer während der Messen und Andachten - mit Ausnahme von Margaretha, die die Erscheinung nicht immer sah.
Am 28. September, abends, sahen Susanne und Katharina die Erscheinung einmal mehr, und diesmal hatte sie neben den Engeln eine weitere Gestalt bei sich, die den Mädchen unbekannt war. Am nächsten Morgen hatte Susanna die gleiche Erscheinung und fragte, wer dies denn sei. Die Erscheinung erwiderte, daß es sich um eine "arme Seele" handele. Besorgt fragte Susanne, was man denn tun könnte, und die Erscheinung erteilte eine Anweisung zur Durchführung bestimmter Gebete. Nachdem die Kinder die Anweisungen befolgten hatten, konnte die Gestalt nicht mehr gesehen werden. Einige Tage vor dem 29. September hatte eine Frau aus Marpingen von ihrem drei Jahre zuvor verstorbenem Ehemann geträumt, der ihr mitgeteilt hatte, daß er sich im Fegefeuer befinde, aber bald befreit werde.
1999 kam es zu erneuten Marienerscheinungen in Marpingen. Es heißt, daß die Echtheit der Erscheinungen von der Kirche noch nicht bestätigt wurde, was für unsere Betrachtung jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die neue Sichtungswelle begann am 17. Mai. An diesem Tag hatten drei junge Frauen im Alter zwischen 24 und 35 Jahren in Marpingen sieben Mal eine Erscheinung, die von sich behauptete, die Muttergottes zu sein. Die Maria erscheint u.a. wieder mit dem Jesuskind auf dem Arm, zuletzt war dies am 13. und 20. Juni der Fall. An diesen Tagen wurden den Mädchen weitere Erscheinungen für den Nachmittag des 18. Juli und den 8. August nach 11 Uhr vorhergesagt.
Die drei "Seherinnen" sind Marion Guttmann (30, Hotelfachfrau aus Neunkirchen), die die Muttergottes mit dem Jesuskind sieht, aber nicht immer hören kann; Christine Ney (24, Musikpädagogin aus Ensdorf), die die Muttergottes nur schwach, wie durch einen Schleier, sieht, Maria aber sprechen hört und Judith Hiber (35, Landgerichtssekretärin aus Hierscheid, die Maria sprechen hören, aber nicht sehen kann.
Die Maria machte Aussagen wie "Ich will den Triumphzug meines unbefleckten Herzens in Marpingen beginnen", "Der Rosenkranz ist die wichtigste Waffe gegen den Widersacher", "Ich brauche die Gebete und bringe sie direkt zu meinem Sohn" und dergleichen mehr. Man solle jetzt aber keine Wunder erwarten, sagte die Erscheinung am 13. Juni. Nach den Aussagen der Seherinnen äußerte sie den Wunsch, ihr zu helfen, den "Plan des Triumphes ihres unbefleckten Herzens in die Wege zu leiten und damit bei der Verwirklichung zu helfen."
Den Priestern sagte die Erscheinung ihren Beistand zu. Sie ermahnte sie, immer dem Papst treu zu sein und "ihn von Herzen zu lieben".
Zu den Kranken sagte die Erscheinung, daß sie die Quelle wieder benutzen sollten, und die Kranken sollten auch wieder beginnen zu beten. Die Erscheinung wünscht, daß Kranke nach Marpingen gebracht werden. Sie gab sich als besondere Fürsprecherin der Kinder zu erkennen. Die Beichte schien der "Maria" besonders wichtig zu sein. Man solle mehr Gebrauch von dieser Möglichkeit machen. "Gehorsam" war ein weiteres Schlagwort: Gehorsam gegenüber der Kirche. Man solle "im Gehorsam wandeln". Laut den Aussagen der "Seherinnen" war dies für die Maria von enormer Wichtigkeit.
Marion sagt, daß Maria am Anfang ganz in Weiß gekommen sei, der Schleier eingeschlossen. Sie wirkte einfach und natürlich und neigte den Kopf, wenn sie traurig war. Das Jesuskind sah aus wie ein Junge von nicht ganz einem Jahr und guckte nach seiner Mutter, schaute in die Menge und strahlte.
Manchmal kamen noch andere, menschliche Kinder (keine Engel) mit der
Erscheinung,. Diese kleinen Kinder sind laut Marion überall: bei der
Muttergottes wie in der Menschmenge. Marion fiel auf, daß diese Kinder
gut angezogen sind. Später wirkte das Jesuskind größer.
Maria sagte über diese Kinder:
"Das sind die, die ihr Menschen nicht gewollt habt und auch Fehlgeburten".
Also ganz offensichtlich eine Anspielung auf die Abtreibungsproblematik.
Maria wollte den "Seherinnen" - deren Aussagen zufolge - deutlich machen,
daß diese Kinder im himmlischen Garten spielten und diesen schmückten.
Damit sollten offensichtlich jene Eltern getröstet werden, die Kinder
durch Fehlgeburten verloren hatten.
Und nun kam die Taube wieder ins Spiel. Christine sagt:
"Und über der Muttergottes schwebte eine sehr große Taube, sie war groß und ganz weiß, und um diese Taube herum und aus der Taube und unter der Taube, da waren lauter Blumen (...) Diese Taube ist einmal über die Menschenmenge geschwebt, und und Blütenblätter von den Blumen sind auf die Erde herunter geregnet, und einzelne (...) sind in die Menschen hineingegangen. Ich denke, daß das der Heilige Geist war (...)"
Dann soll die Taube wieder zurückgekehrt sein und die ganze
Zeit über der Muttergottes geschwebt haben. Dies soll auch während
der Zeit, in der vom Sakrament der Beichte gesprochen wurde, der Fall gewesen
sein. Marion beschieb die Taube als "durchscheinend" und "nach unten
in die Menge Strahlen aussendend". Die Strahlen wurden als durchscheinend
und "ganz hell leuchtend" beschrieben, sie seien aber dennoch angenehm
und "ganz schön anzusehen" gewesen.
Die Muttergottes hatte, während sie die traurige Botschaft von den toten Kindern übermittelte, eine Dornenkrone auf, die sich beim Gebet in jene Sternenkrone zurückverwandelte, die sie vorher trug.
Dann begann das knapp einjährige "Jesuskind" zu sprechen und sagte:
"Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret Ihnen nicht."
Man müsse das Himmelreich annehmen wie ein Kind, dann sei alles
ganz einfach, und man könne dann das Evangelium besser verstehen.
Man könne nicht ins Himmelreich kommen, wenn man dieses nicht annähme
wie ein Kind, sondern man müsse wie ein kleines Kind vertrauen, sagte
der Säugling.
Auch diese Aussagen sind letztlich der Bibel entnommen, vielmehr wurden
sie aus verschiedenen Stellen zusammengemixt. Das obige Zitat stammt aus
dem Matthäusevangelium, Kapitel 19 V. 14. Zuvor wollten die Jünger
verhindern, daß die Kinder zu (dem Erwachsenen) Jesus gebracht wurden,
doch der tat den berühmten Ausspruch, der von seinem Baby-Abbild
nur im Ansatz zitiert wird.
"Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen, denn solcher ist das Himmelreich."
Nun erscheint also Jesus wieder als Kind und zitiert sein ehemals
erwachsenes Selbst unvollständig. Grotesk! Es darf daran erinnert
werden, daß Jesus nach dem Neuen Testament als erwachsener Mann starb
und nach seiner Auferstehung seine "Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit"
ankündigte. Trotzdem hält man - besonders in katholischen, zum
Teil aber auch in evangelischen Kreisen lieber an dem kitschigen Bild vom
"Christkind" fest, was auch in dem den biblischen Inhalt vollkommen pervertierenden
Lied "Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder", das
regelmäßig in den Wochen vor Weihnachten aus den Kaufhaus-Lautsprechern
dudelt, zum Ausdruck kommt. Die Menschen sehen Jesus lieber als Christkind,
und hier erscheint er in dieser Form. Sollte man dies in Hinweis dafür
sein, daß die Mimikry-These in Marpingen greift? Schließlich
verlangt sie ja, daß Außerirdische sich den Erwartungen der
Menschen anpaßt. Und das ist hier eindeutig der Fall. Die gleiche
Prämisse ist allerdings auch vor psychologischem Hintergrund denkbar.
Schließlich waren die drei Mädchen in katholischen Glauben erzogen
worden und können sich sicher viel besser mit dem niedlichen Christkind
anfreunden als mit einem mit einem Schwert in der Hand wiederkehrenden
Christus. Sind die Bilder, die die Kinder sehen, möglicherweise Schöpfungen
aus deren Unbewußtem? Nur am Rande soll vermerkt werden, daß
eine auf fruchtbaren Boden treffende Schwindelgeschichte selbstverständlich
auch nicht ausgeschlossen werden kann. Wir wollen jedoch wieder auf die
aktuellen Geschehnisse zurückkommen.
Wir kommen zum zweiten Teil der Botschaft, die auf Matth. 18,
1-3 zurückgeht, wo es heißt:
"Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesu und sprachen: Wer ist doch der Größte im Himmelreich? Jesus rief ein Kind zu sich und stellte das mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie ein Kind, der ist der Größte im Himmelreich."
Hier reißt also dieses ominöse Christkind zwei Bibelstellen
aus dem Kontext und bringt sie mit verstorbenen und abgetriebenen Kindern
in Verbindung. Oder ist es die "Seherin", daß dieses Durcheinander
schafft?
Judith betont, daß die Maria auch vom Gehorsam sprach. Sie wünsche, daß man "gehorsam sei" und seinen Willen ungehorsam zu sein, aufgäbe", so wie es ihr Sohn getan hätte. Hier bezog sie sich offensichtlich wieder auf den für die Menschheit am Kreuz gestorbenen erwachsenen Jesus, während das treudoof dreinschauende Christkind in ihren Armen lag.
Christine betont, daß Maria sich für den 3. Sonntag im Juli für den Nachmittag erneut angekündigt hätte. Vorher solle eine Heilige Messe gefeiert werden, denn Maria möchte, daß die Kinder erst zu ihrem Sohn gehen sollten.
Marion sprach davon, daß Maria hinter zwei Kindern im Rollstuhl stünde und die Hände über die Kinder halte, um ihnen die Kraft zu geben, das Leid zu tragen. Also keine Heilung in diesem Falle. Dafür konnte Marion jedoch sehen, wie "Strahlen in die Menschenmenge gingen".
Christine sagte noch etwas von "Nächstenliebe" und "Gebeten".
Am Samstag dem 21. August war bereits der zehnte Erscheinungstag in Marpingen,
und diesmal interessierte sich auch die Presse für die Veranstaltung.
Immerhin waren 6000 Pilger gekommen. Die Muttergottes soll an jenem Samstag
insgesamt zweimal erschienen sein. Im Gegensatz zu vorherigen Veranstaltungen
kam die Madonna an diesem Tag erst am Abend, um 20 Uhr, der Zeit des klösterlichen
Abendgebets. Das zweite Mal erschien sie den "Seherinnen" nach 21 Uhr.
Da die Pilger schon den ganzen Tag anwesend waren und warteten, drohten
chaotische Zustände, denn immer mehr Menschen klappten zusammen, und
die Hilfskräfte hatten alle Hände voll zu tun. Busfahrer hatten
für die Abfahrt einen festen Termin vereinbart, und Kinder wurden
unruhig. Gegen 23 Uhr wurde das Zurückführen der Pilger zu ihren
Bussen zu einem Problem für die Hilfskräfte, zumal die "Seherinnen"
nach 22 Uhr auch noch zum Kreuzwegsbesuch in Richtung Gnadenquelle aufriefen.
Nun konnte nicht mehr kontrolliert werden, ob noch jemand im Wald herumirrt.
Die Polizei stand mit Schäferhund bereit, um eventuelle Vermißte
zu suchen.
Die große Menschenmenge, die sich versammelt
hatte, um auf die Erscheinung zu warten, wurde auch von Sekten genutzt.
So teilten Mitglieder der zweifelhaften Gemeinschaft
Universelles Leben
Traktate aus, die den Besuchern "eine Orgninalaufnahme des Christus Gottes
durch Seine Prophetin" versprechen. Schnell rissen Mitglieder des Kapellenvereins
den Besuchern die Zettel wieder aus den Händen.
Die auf die Maria warteten, konnten sich die Zeit inzwischen an diversen Verkaufsständen vertreiben oder an der Rostwurstbude etwas gegen den Hunger tun. Die Rostwurstbude war wie der Popcornstand direkt bei der Kapelle plaziert. Der Devotionalenladen war bis 23 Uhr geöffnet. Auch "Gnadenwasser" stand zum Verkauf, wobei allerdings Hinweisschilder vor dem Genuß des Wassers warnten. "Ist das Woodstock 99?", fragte einer von zwei 19-jährige Besuchern, die aus Neugier gekommen waren und nach eigenen Angaben keinen Bezug zur Kirche hatten. Der andere sprach von einer "Traumwelt der Menschen" und sagten süffisant in saarländischem Dialekt: "Die hann im Passat uffem Beifahrersitz die Ave Maria angeschnallt." Als er sich umdrehte, um zu gehen, konnte man die Rückansicht seines T-Shirt mit der Aufschrift "Blut und Ehre" und einer aufgedruckten Rune erkennen.
Die Medien waren erstaunlich aktiv. Kameraleute suchten nach Motiven und Reporter nach Interviewpartnern.
Die frommen Pilger vertrieben sich die Zeit mit dem unentwegten Gebeten von Vaterunsern und Zwischengebeten, zitierten ihre Glaubensbekenntnisse und sangen hunderte von frommen Liedern. Der Kapellenverein, der eine Gesangsgruppe gegründet hat, probte die von der Seherin Christine Ney komponierte Messe zu Ehren der unbefleckten Empfängnis.
Trotz dieser frommen Taten kam die Maria erst am Abend...
"Höllenfeuer flackert wieder" schreibt Gerd Meiser in einem Kommentar in der Saarbrücker Zeitung. Er befürchtet, die alten angstmachenden Mittel würden wieder ausgekramt, um die Gläubigen einzuschüchtern. Er verweist darauf, daß die Volksfrömmigkeit gerade eine Erneuerung erführe. 40 Mio. Menschen würden jährlich die christlichen Wallfahrtsorte besuchen. "Die Wiedergeburt der Volksfrömmigkeit mit Riten des Aberglaubens zu füllen, ist schlechter Wein in alten Schläuchen," schreibt Meiser. "Es wird höchste Zeit, daß den Sektierern im Härtelwald Einhalt geboten wird," schreibt er weiter. Schließlich suchten die Menschen einen gütigen Gott und keinen Racheengel, die mit den Feuern der Hölle drohen.
Am 5. und 6. September soll die Geschichte eine Fortsetzung finden.
Für diese Tage ist der elfte Erscheinungstag angekündigt...
Quellen:
Ritter, Thomas: Das Rätsel der Marienerscheinungen.
CTT-Verlag,
Suhl 1995
Fischinger, Lars: Begleiter aus dem Universum, Lübeck 1999
Die heilige Schrift (Luthertext von 1914)
http://www.online.de/home/Gottesmutter
Saarbrücker Zeitung vom 21./22.8.1999
Saarbrücker Zeitung vom 23.8.1999
Abbildung: Collage aus einer aus einem Grafik, die auf ein Foto aus der Saarbrücker Zeitung vom 23.8.1999 und einer Marienstatue aus http://www.online.de/home/Gottesmutter zurückgeht, die transparent in die Grafik eingefügt wurde. (Bearbeitung und Collage: Horn)
Am 2.9.1999 berichtete die Saarbrücker Zeitung, daß die "Marienbewegung" auf Distanz zur Marpinger Erscheinung ginge. "Don Stefano Gobbi, Chef und Gründer der weltweiten Marianischen Priesterbewegung mit Sitz in Mailand hat sich von den angeblichen Marienerscheinungen im Härtelwald distanziert", heißt es da. Dies ginge aus einem Schreiben hervor, dass Gobbi an den Trierer Bischof Hermann Josef Spital geschicke habe. Jener soll Gobbi vorher zu einer kritischen Stellungnahme aufgefordert haben. Kritisch wird auch die Rolle des 81jährigen Beichtvaters der "Seherinnen", Herrn Helmut Maria Gressung, gesehen. Gressung ist der deutsche Vorsitzender der o.g. Bewegung. Seine Vorträge seien Privatsache und hätten mit der Priesterbewegung nichts zu tun. Gottfried Schreiner, der Vorsitzende des Marpinger Kapellenvereins, der die Vorgänge im Härtelwald veranstaltet, sieht darin jedoch keinen Grund zur Besorgnis. Man müsse eben auf Distanz gehen, so lange noch keine Entscheidung des Bischofs vorläge, meinte er. Tags drauf hatte man schon mehr Informationen. Aus dem Brief geht laut der Saarbrücker Zeitung vom 3.9. eindeutig hervor, daß die marianische Priesterbewegung nichts mit den Erscheinungen im Härtelwald zu tun haben wolle. Bei seinem nächsten Deutschland-Besuch Mitte September werde er dies deutlich machen.
Die gleiche Ausgabe der Saarbrücker Zeitung berichtet, daß
die Gesundheitsbehörde Koli-Bakterien im "Gnadenquelle" entdeckt und
deren Abfluß unterbunden habe.
Für den Sonntag den 5. und den darauffolgenden Montag war die
elfte und zwölfte Marienerscheinung vorhergesagt worden, und Mitte
September soll die Muttergottes dann zum dritten Mal erscheinen. Gobbi
will zu diesem Zeitpunkt in Deutschland sein, und auf seine Stellungnahme
vor Ort kann man gespannt sein. Dieser 13. Erscheinungstag soll der Höhepunkt
der Erscheinungskette sein, so vermutet jedenfalls der Vorsitzende des
1968 gegründeten Kapellenvereins Gottfried Schreiner, der gleichzeitig
Regierungsrat im Kultusministerium ist. Er ist davon überzeugt, daß
die Muttergottes tatsächlich erscheint, daß die Seherinnen tatsächlich
die Muttergottes sähen und daß viele noch bekehrt würden.
Während Beichtvater Gressung ankündigte, sich in einer 14seitigen Erklärung zu äußern, hat sich der Chef der Marianischen Marienbewegung, die selbst schon Botschaften der Muttergottes erhalten haben will und dies in einem "Blauen Buch" veröffentlicht hat, der bereits erwähnte Don Stefano Gobbi eindeutig und in scharfer Form gegen die Marpinger Erscheinung ausgesprochen. Er sagt:
"Als Gründer der 'Marianischen Priesterbewegung' und ihr einziger Verantwortlicher gegenüber der Kirche unterzeichne ich, Don Stefano Gobbi, dieses Schriftstück und erkläre:
Die 'Marianische Priesterbewegung' hat mit der angeblichen Erscheinung in Marpingen nichts zu tun und ist völlig unabhängig von irgendwelchen anderen Phänomenen, Erscheinungen oder Botschaften.
Was Herr Pfarrer Helmut Maria Gressung im Hinblick auf die angeblichen Erscheinungen in Marpingen tut, ist völlig seine persönliche Sache. Es steht in keinerlei Beziehung zu der Verantwortung, die er für die 'Marianische Priesterbewegung' in Deutschland trägt.
Die 'Marianische Priesterbewegung' ist keine Sekte, sondern eine kirchliche Bewegung, die weltweit verbreitet ist
Persönlich bin ich im Jahre 1975 zum ersten Mal nach Deutschland gekommen, um mich mit Priestern und Gläubigen zum Zönakel (Zusammenkunft mit Gebet) zu treffen; danach bin ich noch öfter in Deutschland gewesen.
Was ich hier ausgesprochen habe, werde ich bei meinem nächsten Deutschland-Besuch klar und entschieden bekräftigen. Ich bitte die Zeitungen und das Fernsehen, die diesbezüglich ungenaue Nachrichten verbreiten haben, meine Präzisierung zu veröffentlichen. Don Stefano Gobbi."
Die Saarbrücker Zeitung merkt kritisch an, daß die Marianische
Priesterbewegung selbst von der Kirche noch nicht anerkannt ist. Da ist
also der Kapellenverein, der die Marpingen-Erscheinungen unterstützt.
Dann ist da die Marianische Priestervereinigung, die selbst schon Marienerscheinungen
gehabt haben will, aber die Marpinger Erscheinungen nicht anerkennt, und
dann ist da noch die Kirche, die eben diese Marianische Priesterbewegung
nicht anerkennt.
Die Saarbrücker Zeitung vermutet, daß die Priesterbewegung sich hier betont seriös geben will, um endlich von der Kirche anerkannt zu werden. Vermutlich wolle Gobbi verhindern, daß seine Bewegung durch die Vorgänge in Marpingen in Mißkredit geraten könnte. Eine zweite Variante ist die, nach der Gobbis Schreiben eine Taktik in einem großangelegten Versuch sein könnte, Marpingen als Wallfahrtsort anzuerkennen.
Ab dem 14. September, einen Tag nach der 13. Erscheinung soll die Arbeitsgruppe zur Prüfung der Vorgänge in Marpingen unter der Leitung von Weihbischof Dr. Felix Grenn tagen. Sie wurde von Bischof Spital eingerichtet.
"Maria kommt am Wahl-Sonntag" vermeldete die Saarbrücker Zeitung vom 4./5.1999. Erstmals sollte die Muttergottes auch an einem Montag, nämlich dem darauffolgenden erscheinen. Bereits bei der zehnten Erscheinung erschien die Madonna samstag abends den "Seherinnen". Diese hatten gerade einen psychologischen Test mit dem Pallottinerpater Jörg Müller überstanden. Pater Müller ist Psychotherapeut und soll auch als Teufelsaustreiber tätig sein. Dieser Pater hat zahlreiche Bücher über Marienerscheinungen geschrieben und ist überhaupt sehr aktiv auf dem "marianischen Feld". Auf die Prüfungskommission in Trier dürfte der von ihm durchfgeführte Psychotest jedoch kaum Einfluß haben.
Gottfried Schreiner gab indes den Terminplan bekannt. Am späten Sonntagnachmittag und am späten Montagabend soll die Maria erscheinen. Gottesdienste und Messen sollten am Sonntag und am Montag stattfinden, und Schreiner gab die genauen Termine der zahlreichen Veranstaltungen bekannt.
Schreiner betont, daß es es nach den Erscheinungen, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen würden, zu Bekehrungen kommen würde. Pastor Gressung soll nach den Aussagen der Saarbrücker Zeitung Marpingen unbedingt zu einem Wallfahrtsort machen wollen
Der Bürgermeister von Marpingen, Werner Laub, hat die Kosten, die die Veranstaltungen bisher verschlungen haben, vom Kapellenverein angefordert.
Am Erscheinungstag mußte der Pilgerstrom von 5000 Mann erst einmal bewältigt werden, berichtet uns die Saarbrücker Zeitung vom 7.9.1999. Man mußte sich wieder darauf gefaßt machen, daß viele alte Leute und Gebrechliche bis in die Nacht im Härtelwald warten wollten, falls Maria so lange auf sich warten ließe. Für die Desorientierten wurde ein Info-Bus organisiert. Über 1000 Überstunden haben die Beamten der zuständigen Polizei-Inspektion wegen Marpingen auf dem Konto. Die Sanitäter hatten Verletzungen und Knochenbrüche mit eingeplant. Viele brechen zusammen, weil sie bei stundenlangem Gebet vergessen zu essen und zu trinken. Als Angehörige des Malteser Hilfsdienstes während der Behandlungen von Kranken laute redeten, wurde deren Zelt mit Steinen beworfen. Wie kann man auch nur die Pilger in ihrer Andacht stören! Hin und wieder gab's aber auch mal ein Dankeschön.
Über die eigentlichen Erscheinung berichtet die Saarbrücker Zeitung vom Dienstag übrigens nichts. Ist alles schon zur Routine geworden? Dafür berichtete aber die Saarbrücker Zeitung vom 9. September , daß die vom Gesundheitsamt versiegelte Quelle aufgebrochen wurde! Zentnerschwere Betonblöcke wurden beiseite geschoben, und an das "Gnadenwasser" zu kommen. Der Fanatismus kennt keine Grenzen! Von offizieller Seite her war den Pilgern der Genuß des verseuchten Wassers nur zum "gemäßigten Gebrauch" empfohlen worden. Bei der Erscheinung tat sich ein über zehn Meter tiefer Schlund auf, der die Pilger in Lebensgefahr brachte!
Der Marpinger Bürgermeister Werner Laub bezichtigt Gottfried Schreiner, die Strippen zu ziehen und bewußt mehr Menschen in den Ort zu locken, als dieser und seine Bewohner eigentlich vertragen. Er hält die Vorgänge um die "Erscheinungen" für einen inszenierten Bluff. Der Bürgermeister ist entsetzt über die negativen Folgen: ein Bachlauf ist kaputtgetreten, ständige Ruhestörungen durch Gebetslitaneien und motorisierten Verkehr. Außerdem moniert er die schlechten hygienischen Zustände am Härtelwald.
Die Zivilgemeinde wartet bisher vergeblich darauf, daß der Kapellenverein, der Pächter des Gebietes ist, eine Rechnung über 55.000 DM bezahlt. Der Verein ist allerdings der Meinung, daß ja nicht er der Veranstalter einer "himmlischen Erscheinung" sein könne. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es in dieser Sache zu einem Rechtsstreit kommt. Möglicherweise wird die Gemeinde den Pachtvertrag mit dem Kapellenverein kündigen.
Am 7. November sind in Marpingen Bürgermeisterwahlen, und zuvor will Laub seine Bürger im Oktober schriftlich befragen, ob sie Marpingen gern als Wallfahrtsort sehen würden und ob sie die zusätzlichen Kosten für neue Straßen und Parkplätze zu tragen bereit seien. Ob die Quelle im Wald mit dem Geld der Marpinger saniert werden soll. Welche Haltung die Marpinger gegenüber dem Kapellenverein einnehmen würden.
Am 18. Oktober kommt Don Gobbi, und die 13. Erscheinung wurde auf den 17. Oktober verschoben. Der Einsatzleiter Gerd Meiser glaubt, daß der Kapellenverein damit auf die Ankündigung der Kommission reagiert, die angekündigt hat, erst nach der letzten Erscheinung erfolgen würde. Mit der Verschiebung des Termins wird dessen Arbeit hinausgezögert. Vielleicht wolle man auch abwarten, wie sich der Streit zwischen der Zivilgemeinde und dem Kapellenverein noch auswirkt.
Meister bezeichnet die Vorgänge im Härtelwald als "unerträgliches
Kasperletheater", das bereits an Gotteslästerung grenze.
Insgesamt
betrachtet scheinen mir zumindest im aktuellen Sichtungszyklus die Hinweise
auf einen Schwindel überdeutlich zu sein. Warum aber eine solche Geschichte,
die offensichtlich von einem Beichtvater, der Marpingen zu einem Wallfahrtsort
machen will und drei von ihm instruierten "Seherinnen" konstruiert wurde,
gerade in der heutigen Zeit, in der wir an der Wende zu einem neuen Jahrtausend
stehen, auf so fruchtbaren Boden fällt, darüber kann nur spekuliert
werden. Spielt die Angst vor dem Neuen, dem Unbekannten eine Rolle? Hat
man Angst vor einem neuen technisierten Jahrtausend und kommt einem
deshalb deshalb eine solche Geschichte, die konservative Werte belebt entgegen
und nimmt man sie deswegen so bereitwillig auf?
Ob am 5. tatsächlich die Mutter des Christus im Saarland erschienen ist, ist außerordentlich fraglich. Tatsache aber ist, daß die Wähler an diesem Tag dafür gesorgt haben, daß das Land zukünftig (nach 14jähriger sozialdemokratischer Herrschaft) wieder von einer Partei regiert wird, die das Wort "christlich" in ihrem Namen führt...
(Quelle für die bearbeiteten Bildausschnitte sind Fotos, die in der Saarbrücker Zeitung vom 2., 3. und 10. September veröffentlicht wurden. Das letzte der drei Bilder im Update zeigt die Marienstatue in Marpingen)
Laut der Saarbrücker Zeitung vom 11./12.9.1999 befürchtet die Marpinger Gemeinde, daß der Ort am 17. Oktober - dem letzten Erscheinungstag - von 40.000 Pilgern überrollt werden könnte. Man überlegt fieberhaft, wie die 5600-Einwohner-Gemeinde diesen Ansturm bewältigen könnte. Allein aus Holland wurden 70 Busse mit Pilgern angekündigt, ebenso aus dem Großraum München.
An der "Gnadenquelle" wird weiter munter manipuliert, die versiegelte Quelle ständig aufgebrochen. Durch diese Eingriffe plus eindringende Pflanzen und Mikroben wird das Wasser immer schlechter und weist mittlerweile eine Belastung von Keimen auf, die 1700 Prozent über den Grenzwerten liegt!
Für Dezember hat der Pallottinerpater und Vertrauter der "Seherinnen"
Jörg Müller ein Buch mit dem Titel Von Maria zu reden ist
gefährlich
angekündigt.
Mittlerweile wurde dem Kapellenverein also tatsächlich der Pachtvertrag
gekündigt, der Verein ließ die Räumungsfrist jedoch verstreichen,
und nun muß die Gemeinde Marpingen belegen, daß sie ein Recht
auf die fristlose Kündigung hat. Der Anwalt der Gemeinde, Dr. Christian
Halm, verweist hierbei auf den Pachtvertrag und die Ereignisse der jüngsten
Zeit. Im Vertrag sei schließlich klar geregelt, daß der Verein
für die ordnungsgemäße Unterhaltung und Sicherung der vorhandenen
Anlagen wie der Härtelwald-Kapelle verantwortlich ist. Der Kapellenverein
hat zuvor bestritten, für die "himmlischen Veranstaltungen" in letzter
Instanz verantwortlich zu sein. Laut dem Pachtvertrag hat jedoch der Kapellenverein
für Schäden gerade zu stehen, die beim Betrieb der Anlagen entstehen.
Der Anwalt betont, daß die bisherigen "Erscheinungen" im Härtelwald
"chaotisch" gewesen seien. Er verweist auf an einer Hecke und einem Wassergraben
entstandene Schäden, und er erinnert weiter an ältere Frauen,
die ziellos im Wald umhergeirrt seien, sowie auf die Blockierung von Notwegen.
Die Kündigung sei notwendig geworden, da der Kapellenverein sich geweigert
hatte, die 55.000 DM zu zahlen, die zur Deckung der durch das Chaos entstandenen
Kosten aufgebracht werden mußten. Weiterhin könne die Gemeinde
als Eigentümerin des Grundstückes nicht dulden, daß weiter
Menschen gefährdet würden.
Der Anwalt des Kapellenvereins, Wolfgang Zeyer, ist demgegenüber der Meinung, der Verein sei rechtlich nicht verpflichtet, irgendwelche Zahlungen zu erbringen. Schließlich übten die Besucher ja nur ihre Religion aus, und in diesem Zusammenhang verwies er auf die im Grundgesetz fest verankerte Religionsfreiheit. Nach einer Ansicht hat die Gemeinde für die Schäden aufzukommen.
Nun werden also - wenn man den Ausführungen des Anwalts folgt - die drei Seherinnen an ihrer Glaubensausübung - dem Verbreiten der Botschaft der Gottesmutter - gehindert. Ist das mit der Religionsfreiheit vereinbar? Dies ist in sofern kaum zu beantworten, da rechtlich nicht geklärt ist, ob die Seherinnen tatsächlich im Auftrag der Maria agierten. Möglicherweise muß die Justiz klären, ob "Erscheinungen" nach rechtlichen Regeln beweisbar sind oder nicht", um die Rechtmäßigkeit des Handelns der Gemeinde zu klären. Eine weitere groteske Situation! (Saarbrücker Zeitung vom 16. September 1999)
Aus einem Artikel in der Saarbrücker Zeitung vom 17. September geht hervor, daß Gottfried Schreiner, der Vorsitzende des Kapellenvereins der Ortspolizeibehörde gegenüber bereits am 12. Juli von einer bevorstehenden Erscheinung berichtet habe, während diese von den "Seherinnen" erst am 18 Juli bekannt gegeben worden war. Ein weiterer Hinweis auf eine Inszenierung? Der Anwalt des Kapellenvereins, Wolfgang Zeyer, vertritt eine andere Meinung. Er erklärte gegenüber der Saarbrücker Zeitung, daß der Termin 8. August von der "Seherin" Marion bereits am 11. Juli bei einem Treffen mit Jugendlichen im "Pater-Pio-Haus" in Marpingen prophezeit worden sei. Lediglich mit der öffentlichen Bekanntgabe habe man bis zum 18. Juli gewartet. "Die Erscheinungen wurden nicht von meinem Mandanten hervorgegeben, sondern von den Seherinnen," betont der Anwalt des Kapellenvereins. Weiter erinnert er die Gemeinde abermals an die Religionsfreiheit und daran, daß sie vor dem Hintergrund dieses Grundrechts für einen reibungslosen Ablauf von Pilgerveranstaltungen zu sorgen habe. Er moniert weiterhin, daß die Gemeinde den Kapellenverein nicht an organisatorischen Vorbereitungen wie Parken, Ordnungsdienst und Beschilderung beteilige, ihm aber die Kosten dafür auferlege, die dazu noch übertrieben hoch seien. Schließlich erbringe die Gemeinde auch bei Kirmes-Veranstaltungen Leistungen, die dem Veranstalter nicht in vollem Umfang in Rechnung gestellt würden. Und obwohl Kirmes-Veranstaltungen eine Lärm-Belästigung für die Anwohner seien, würden diese im Gegensatz zu den Marienerscheinungen nicht in Frage gestellt. Der Kapellenverein sei aber bereit, sich mit der Gemeinde an einen Tisch zu setzen, um eine "einvernehmliche Lösung" herbeizuführen. Zeyer erklärt, daß der Kapellenverein bereits 10.000 DM auf ein Sperrkonto überwiesen habe, obwohl er ja eigentlich gar nicht verpflichtet sei, sich an den Kosten zu beteiligen. Bei einer Einigung könne das Geld jedoch fließen. Die Kündigung des Pachtvertrages würde jedoch keinesfalls akzeptiert, sagt Zeyer. Demgegenüber traut die Zivilgemeinde dem Verein nicht zu, die chaotischen Verhältnisse in den Griff zu bekommen, und hält somit die Aufforderung zur Räumung für gerechtfertigt. Man wolle Schäden verhindern und beruft sich darauf, daß am 21. August mehrere ältere Frauen im Wald gefunden wurden, die die Orientierung verloren hatten. Auch Bombendrohungen seien bereits eingegangen.
Weiter kursieren imageschädigende Falschaussagen bezüglich Marpingen. Wie die Saarbrücker Zeitung vom 30. September 1999 berichtet, wurde in einem oberbayrischen Blatt behauptet, daß im Marpinger "Kurpark" verkeimtes Wasser verkauft würde und alle vierzehn Tage die Mutter Gottes erscheine. "Offenbar ist solchen Kommunen jedes Mittel recht, um bekannt zu werden," schreibt das Blatt sinngemäß.
Letztlich steht also mehr oder weniger das liebe Geld zur Zeit im Mittelpunkt dieser ursächlich religiösen Angelegenheit. Ein weiterer grotesker Punkt der ganzen Geschichte.
Mittlerweile hat - wie die gleiche Ausgabe der Saarbrücker Zeitung
berichtet
- das marienfrömmige Blatt "Mystik" die Marpingen-Erscheinungen als
"inszeniert" bezeichnet. Zur Begründung führt das Blatt die folgenden
Punkte an:
Ein Erkennungszeichen fehle, denn die Erscheinung sage ja nicht, daß sie schon einmal in Marpingen gewesen sei.
Angesichts der derzeitigen Lage von Kirche und Weltpolitik seien die Botschaften belanglos, und die Aussage, daß der Papst ein Heiliger sei, könne nicht aus dem Mund der Mutter Gottes kommen und müsse folglich falsch sein.
Die Erscheinung, die ständig zum Beichten auffordert, scheint - so "Mystik" - nicht zu wissen, daß die Beichte in der kath. Kirche kaum noch ausgeübt würde.
Für eine Inszenierung spreche auch, daß ein Pfarrer in Marpingen erklärt habe, es dürfe keine apokalyptischen Botschaften geben, weil sonst der Bischof die "Erscheinungen" sofort ablehnen werde.
Neben diesen Gründen, die allenfalls für in der katholischen
Theologie verwurzelten Menschen von Bedeutung sein dürften, werden
noch zwei weitere, in meinen Augen wesentlichere Punkte aufgeführt
:
Eine der Seherinnen behauptete, monatelang von einem Priester "vorbereitet worden zu sein", was auch tatsächlich vom Kapellenverein nicht bestritten wird.
Ein Mann, der sich gegenüber den "Mystik"-Prüfern als "geheilt bezeichnete, war schon einmal aufgefallen, als er verbreitet hatte, der Charismatiker Pater Tardiff hätte ihn geheilt.
(Das im Update 2 abgedruckte Bild ist ein Ausschnitt aus einer in der Saarbrücker Zeitung vom 17. September veröffentlichten Luftaufnahme. Die südlich von Marpingen gelegene Kapelle, bei der die Maria erscheinen soll, ist durch einen Kreis markiert.)
Am 24. September wurden zahlreiche Leserbriefe zum Marpingen-Thema in der Saarbrücker Zeitung abgedruckt. So meinte ein Leserbriefschreiber aus Marpingen, der Kapellenverein solle die Kosten selbst tragen. Er beruft sich darauf, daß auch der Veranstalter des Marpinger Rosenmontagszuges seine Kosten selbst trägt.
Eine Leserin aus Saarlouis beklagt sich über die einseitige Berichterstattung. Die abgedruckten Stellungnahmen in der Saarbrücker Zeitung stammten schließlich ausschließlich von Personen, die nur ein "begrenztes Wissen" zum Themenkomplex "Marienerscheinungen" hätten. Man gäbe den Erscheinungen nicht den Hauch einer Chance, sich als echt zu erweisen. Sie vermißt Toleranz und sieht die Pilger von Marpingen zu einer Randgruppe degradiert und empört sich darüber, daß die Marpingen-Pilger als "Zuschauer eines Kasperletheaters" verhöhnt würden.
Eine Leserin aus Bad Schwalbach beruft sich auf die Psycho-Tests, die Pater Müller durchgeführte. Sie führt aus, daß der Pater die Frauen fest gezwickt und ihnen eine Kugelschreiberspitze fest in die Arme gerammt habe, woraufhin er der "Seherin" Marion auch noch einen Stoß versetzt habe, so daß sie auf eine andere Seherin - Judith - fiel. Außerdem habe Dr. Müller ihnen mit einer Halogen-Taschenlampe aus nächster Nähe in die Augen geleuchtet, aber die Pupillen der "Seherinnen" hätten sich nicht verändert. Sie hätten weiterhin stur auf die Erscheinung geblickt. Als sie - die "Seherinnen" - das Bild, das sie sahen, beschriebe, hielt Müller ihnen ein blickdichtes Blatt Papier vor die Augen, durch das sie nach Meinung der Leserbriefschreiberin offensichtlich hindurch sehen konnte. Sie - die Leserbriefschreiberin - sieht dieses Dinge als Beweise für die Echtheit der Erscheinungen an, und führt noch einen weiteren Punkt an: ein krankes Kind, das am 5. September während der 20minütigen Erscheinungen fortwährend brüllte, hätte jeden Schauspieler aus dem Konzept bringen müssen. Die Leserinnen glaubt auch, einen Unterschied zwischen der "Qualität der Botschaften und den einfachen von den 'Seherinnen' gegebenen Beschreibungen zu erkennen.
Na, wenn das nur alles so einfach wäre. Hier scheint der Glaube wahrlich Berge zu versetzen, wenn auch nur im Denken einer Gläubigen...
Einer anderen Leserbriefschreiberin ist es ganz generell unbegreiflich, warum man in Marpingen einen solchen Tumult veranstaltet. Sie vermißt in Marpingen eine angemessene Ruhe und Besinnlichkeit und verweist darauf, daß ihr Elternhaus im Kapellenweg stünde und daß sie Schwierigkeiten hätte, es zu erreichen. Als sie an einem Erscheinungs-Samstag ihr Auto öffnete, wurde sie von einer Frau derb aus dem Wagen gezerrt und gefragt, ob für sie eine andere Sonne scheine. Die Leserbriefschreiberin forderte die Aggressorin auf, sie in Ruhe zu lassen, doch die warf mit Schimpfworten wie "Assie" und "Nazi" um sich. Die Leserbriefschreiberin berichtet, daß es einem Freund von ihr ähnlich ging. Er fuhr an einem Erscheinungstag zu einem Freund und stand zeitweise mit seinem Roller zwischen den Bussen. Ein Pilger trug einen langen Stiel. Am Ende war eine Marienstatue befestigt. Der Pilger beklagte sich über die Abgase und pöbelte den Freund der Leserbriefschreiberin an, den Motor seines Rollers abzustellen, und um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, schlug er ihm mit dem Stil der Statue auf den Rücken.
Der Fanatismus scheint kaum noch Grenzen zu kennen. Hier scheint das alte Kreuzrittertum im Kleinen wieder eingekehrt zu sein. "Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein". Die Pilger scheinen sich tatsächlich für etwas Besseres zu halten. Und daß extreme Vertreter einer Religion zu Aggressivität neigen, ist ebenfalls nichts Neues.
Am kommenden Wochenende wird es mit der von der o.g. Leserbriefschreiberin einforderten "Ruhe und "Besinnlichkeit" möglicherweise ganz aus sein, denn am 11.10.1999 wird immer noch mit einem Pilgerstrom von 40.000 Personen gerechnet, wie die Saarbrücker Zeitung vom gleichen Tag berichtet. Das wären acht mal mehr Gäste als Marpingen Einwohner hat. 120 Busse sind angemeldet und alle Hotel-Betten in der Kreisstadt St. Wendel ausgebucht. 300 Hilfskräfte stehen zur Verfügung. Die Polizei bittet sogar über das Internet um Unterstützung. Die Pilger sollen sich melden, damit man sich vorbereiten könne.
Ein zusätzliches Problem ist, daß am letzten Erscheinungstag die "Erscheinungsorte" wechseln sollen. Die Muttergottes soll also nicht nur im Härtelwald, sondern auch an der Kirche direkt im Ort und an anderen Stellen des Ortes erscheinen, was das Chaos durchaus noch verstärken könnte. Zusätzlich soll es den ganzen Tag über zu Erscheinungen kommen.
Mittlerweile existiert in Marpingen eine Bürgerinitiative wegen der Lärmbelästigung durch die Pilger. Viele Anwohner des Kapellengebietes fühlen sich durch das stundenlange Beten über Lautsprecher genervt. Auch über Belästigungen durch die Pilger wird geklagt.
Die Vorbereitungen für eine "Briefwahl", in der die Bürger befragt werden sollen, ob Marpingen zu einem Wallfahrtsort werden soll, sind in vollem Gange. Ebenso sollen die Bürger befragt werden, ob die Kosten dem Kapellenverein angelastet werden sollen und ob die Kündigung des Pachtvertrages aufrecht erhalten werden soll. Ebenso wird gefragt, ob die Härtelwaldquelle von der Gemeinde saniert werden soll.
Die Marpinger Bürger sind mehrheitlich der Meinung, bei den "Erscheinungen" handele es sich um eine organisierte Angelegenheit, die das Ziel hat, Marpingen zu einem Wallfahrtsort zu machen. In gewissen Kreisen wird bereits seit vielen Jahren von eine "Kathedrale zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit geträumt. Angeblich gibt es sogar eine Korrespondenz aus dem Jahr 1994, in der Pastor Gressung sich mit dem Bau dieser Kathedrale auseinandersetzt. Eine Seherin habe sich mit dem Standort der Kathedrale befaßt. Vorbild soll dabei das Wallfahrtszentrum Medjugorie in Bosnien-Herzegowina sein, das jährlich von über vier Mio. Menschen besucht wird.
Die Prüfungskommission der Diözese Tier unter Weihbischoff Dr. Felix Genn tagt zu diesem Zeitpunkt bereits.
Im Saarland kursieren auch schon die ersten "Marpingen-Witze". Ein fiktives "Marpinger Menü" soll aus dem Hors d'oevre "Wonniges Paradiesrahmsüppchen", gefolgt von "frommer Wallfahrtsmelone mit Hoffnungsschinken", dem Hauptgang "Entrücktes Pilgerschnitzel" oder wahlweise "verklärtem Glaubensspieß mit Marienkartöffelchen in einer pikanten Heils-Soße mit frischen Seligkeitskräutern abgeschmeckt" und verschiedenen Visionsgemüsen aus unbeflecktem Anbau" und dem Dessert "Himmlisches Erscheinungsparfait mit einem kräftigen Schuß Endzeitlikör" bestehen. Für Kinder und Senioren werden "Engelszungenklößchen in Verzückungsbrühe" empfohlen. Selbstverständlich wird das Menü durch ein "hochprozentiges Gnadenwasser-Digestif" abgerundet, und "Liebfrauenmilch" wird für Erwachsene und "Madaonnenbrause" für Kinder empfohlen...
"Für 'Seherinnen' bleibt die Kirche zu", meldet die Saarbrücker Zeitung vom 15.10.1999. Von einer "massiven Spannung" im Hinblick auf die "letzte große Erscheinung des aktuellen Zyklus" am Sonntag, dem 17.10. ist dort zu lesen. In Absprache mit der Diözese hat die Gemeinde Marpingen eine Verfügung ausgesprochen, nach der die drei "Seherinnen" die Ortskirche am Sonntag nicht betreten dürfen. Damit kann möglicherweise die befürchtete "Völkerwanderung" von 40.000 erwarteten Pilgern zwischen der Kapelle und der Ortskirche verhindert werden, und der Ordnungsdienst wäre entlastet.
Mittlerweile interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken für die Angelegenheit rund um die Gottesmutter. Die Gemeinde hat Anzeige erstattet, weil mehrmals keimverseuchtes Wasser, das aus der "Gnadenquelle" im Härtelwald stammt, verkauft wurde. Hierbei handelt es sich um einen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz. Man denkt auch an Betrug, denn es gibt Hinweise darauf, daß gewöhnliches Leitungswasser als "Gnadenwasser" verkauft werden soll. Die Ermittlungen richten sich, wie der Staatsanwalt Josef Pattar gegenüber der Saarbrücker Zeitung sagte, in der Hauptsache gegen eine Firma aus dem Saarpfalz-Kreis, die auf Flugblättern für den "Transport von Quellwasser - abends abgefüllt, morgens bei Ihnen" warb. 20 Liter sollten 24 DM kosten. Bei dem Unternehmen wurde jedoch kein Wasser aus dem Härtelwald gefunden. Der Firmeninhaber verteidigte sich mit der Bemerkung, er habe die Geschäftsidee ja nie in die Tat umgesetzt. Nach geltender Rechtslage ist allerdings schon das Anbieten gesundheitsgefährlicher Lebensmittel mit Strafe bedroht.
Die Stimmung im Ort ist laut Bürgermeister Werner Laub (SPD) "ziemlich gespannt", denn schließlich gingen die Ereignisse an den Lebensnerv der Marpinger. Seit dem 14.10. läuft die weiter oben angesprochene Bürgerbefragung. Laub glaubt, daß sich die meisten Marpinger gegen ein "deutsches Lourdes" aussprechen werden. Für den Fall, daß es am Wochenende zu Sach- oder Personenschäden kommen sollte, hat Laub mit Anzeige gegen Schreiner und die "Seherinnen" gedroht. Schreiner selbst ist unerschütterlich: Er ist davon überzeugt, daß die Pilger auch dann weiter kommen würden, wenn der Bischof von Trier Marpingen nicht als Wallfahrtsort anerkennen würde. Schreiner kritisiert die "vorschnelle" Bürgerbefragung, und meint, die Verwaltung hätte warten müssen, bis Trier entschieden hätte. Er beharrt auch weiterhin auf seiner Meinung, daß er ja nicht der Veranstalter sei und ihm somit auch keine Kosten auferlegt werden könnten. Schließlich sei Maria auch außerhalb des vom Kapellenverein gepachteten Geländes erschienen. Für Schreiner sind die Erscheinungstage "diszipliniert abgelaufen", und so sieht er auch keinen Grund für die Kündigung des Pachtvertrages. Schreiner rechnet damit, daß es "am Wochenende zu Bekehrungen kommen wird", und auf die Frage, ob denn Wunder zu erwarten wären, antwortete Schreiner orakelhaft: "Man wird sehen."
"Die Dinge sind eng und bedrohlich", sagte Bürgermeister Laub am Freitagnachmittag vor der "letzten großen Erscheinung" gegenüber der Saarbrücker Zeitung vom 16./17. Oktober 1999. Er sprach sogar von einer "Bedrohung für die Gemeinde". Noch einmal betonte er, daß die Ereignisse inszeniert seien und daß der Vorsitzende des Kapellenvereins es darauf anlege, ein deutsches Lourdes zu etablieren. Der Gemeinde gelang es indes nicht, das Hausrecht an der Marienkapelle zu erlangen. Die Einsatzleitung wurden von der Ankunft einer schwächelnden Münchner Marienverehrerin informiert, die im gemieteten Krankenwagen samt Sauerstoffzelt nach Marpingen kommen wollte.
Tatsächlich kamen mehr als 25.000 Pilger am Sonntag, dem 17.10.1999 nach Marpingen. Zu sehen bekamen sie jedoch nicht viel, denn die drei "Seherinnen" namen die Botschaften der Muttergottes weitgehend im Verborgenen entgegen. Danach spielten sie den Pilgern per Diktiergerät "Botschaften" vor, die sie selbst auf Band gesprochen hatten. Diesmal gab es eine "Erscheinungskette". Sie begann - selbstverständlich für Außenstehende kaum zu durchschauen - gegen 7.15 Uhr in der Kapelle, und später wechselten die Schauplätze. Die Seherinnen meldeten "Erscheinungen" während zweier Autofahrten und aus mindestens zwei Gebäuden, wobei nicht bekannt wurde, aus welchen. Die Pilger erfuhren um 14.30 Uhr davon, als die Botschaften, die von den Seherinnen auf die Diktiergeräte gesprochen wurden, via Lautsprecher zu hören waren. Schilderungen des Gesehenen, die von Marion Guttmann und Christine Ney vorgetragen wurden, werden von Muttergottes-Zitaten unterbrochen, die von Judith Hiber vermittelt werden. Quintessenz der Botschaft: Die Menschen sollen viel beten, ihren Sohn achten und ihn auch grüßen, wenn sie an Kirchen oder Wegkreuzen vorbeigehen. Die Pilger warteten mit Spannung auf die letzte Erscheinung, doch wieder war nichts zu sehen. Die Seherinnen knieten im Türrahmen der Kapelle, um die Botschaft zu empfangen, während die Busfahrer auf Heimfahrt drängten.
Erfreulich war, daß es zu keinem Chaos und zu keinen Schwerverletzten kam. Nur drei Personen mußten ins Krankenhaus, davon einer mit Verdacht auf Herzinfarkt, 80mal kam der Malteser-Hilfsdienst zum Einsatz, Ordner mußten einige Pilger daran hindern, die Absperrung zu durchqueren, und die "Gnadenquelle" wurde viermal gewaltsam aufgebrochen. Gierig schluckten die Pilger das Wasser, zum Teil leckten sie es auch vom Boden auf.
Insgesamt wurde bei dieser großangekündigten letzten Erscheinung
weniger geboten als bei den vorherigen. "Die Frauen haben Angst vor Bombendrohungen
gehabt," erklärte Pater Müller, und fast klingt dies nach einer
Rechtfertigung. Pilger beklagten sich darüber, daß zu wenig
Andenken zu kaufen waren.
"Bitte fragt nicht, wann ich wieder komme. Es wird eine Zeit vergehen.
Ich bin aber immer bei euch,"
lauteten die Abschiedsworte der Maria, die so verdächtig nach den Abschiedworten Jesu kurz vor seiner Himmelfahrt klangen. (Saarbrücker Zeitung vom 18.10.1999) Sollte das Vokabular der himmlischen Familie tatsächlich so begrenzt sein? Ich muß mir jedenfalls schwer überlegen, ob ich tatsächlich die Hand zum Gruße erheben werden, wenn ich bei meinem nächsten Spaziergang am Kruzifix am Ende meiner Straße vorbeikomme...
"Die angeblichen Marienerscheinungen in Marpingen sind manipuliert", sagt die ehemalige Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK). "Was hier geschieht, ist schlimm, weil es die Religion in Verruf bringt," sagte die Saarländerin, die auch Vorsitzende der katholischen Laienorganisation Donum Vitae (Geschenk des Lebens) ist, weiter. Nach ihrer Meinung wird die Marienfrömmigkeit der Katholiken missbraucht und wohlmeinende Katholiken in die Irre geführt. Die angeblichen Verkündigungen der Maria seien lediglich Alltagsweisheiten. Dem kann man wohl kaum widersprechen. Auch Frau Waschbüsch ist der Meinung, der Kapellenverein von Marpingen wolle mit aller Gewalt einen Pilgerort schaffen, und sie appelliert an den 1968 gegründeten Verein, die noch ausstehende Entscheidung der Untersuchungskommission des Bistums Trier zu akzeptieren. (Saarbrücker Zeitung vom 19.10.1999)
Wie die Saarbrücker Zeitung vom 8.11.1999 berichtete, wurde der Marpinger SPD-Bürgermeister Werner Laub mit einer deutlichen Mehrheit von 61,15% wiedergewählt. Seine zweite Amtszeit beginnt im Frühjahr.
"Marpingen soll kein Ort für Sektierer" werden, betonte Werner Laub gegenüber der Saarbrücker Zeitung vom 20./21. November 1999. Laub - selbst ein bekennender Katholik - will verhindern, dass seine Gemeinde zu einem deutschen Lourdes wird. Nach seiner Einschätzung haben die Hintermänner des "Erscheinungs-Wesens" ihr Ziel jedoch noch nicht aufgegeben. Laub belässt es nicht bei dem dunklen Begriff "Hintermänner", sondern er nennt namentlich Pastor a.D. Heinz Gressung, der inzwischen von Don Gobbi seines Amtes als Deutschland-Beauftragter der Marianischen Priestervereinigung enthoben wurde, der aber immer noch als Beichtvater der sogenannten Seherinnen gilt. Laub nennt weiter diverse Gruppen von Abtreibungsgegnern und vor allem die Medjugorie-Bewegung um Pater Jörg Müller, der die Frauen ständig betreut. Laub äußerte den Verdacht, dass in seinem Ort kirchenpolitische Kämpfe und Machtdemonstrationen gegen die Amtskirche stattfänden, dass "rechte" und "ultrakonservative Kreise" die Uhr vor das zweite vatikanische Konzil zurückdrehen wollten. Laub äußerte sich besorgt über die wachsende Zahl der Priester , die an der Marienkapelle beten und segnen, obwohl dies vom Trierer Bischof verboten wurde. Er befürchtet, dass es zu einem Missverständnis kommen könnte: Den Erscheinungen könnte eine Art "Güte-" oder "Echtheitssiegel" anhaften, obwohl die von der Kirche eingesetzte Prüfungskommission in Trier sich noch nicht zu den Vorgängen geäußert hat.
Laub befürchtete, dass Marpingen im Frühjahr vollends von Pilgern überrollt werden könnte und hofft auf Trier. Er erinnert allerdings daran, dass die Marpinger "Erscheinungen" von 1876 bis heute noch nicht von der Kirche aufgearbeitet worden seien. Dies sieht er als Grund dafür an, dass der Ort im Vorjahr der "neuen Zeit" - das Jahr 2000 ist für die Marianische Bewegung das Jahr des "Triumphzuges des unbefleckten Herzens" - wieder in den Mittelpunkt rücke. Für Montag, den 22. November kündigte Laub ein Treffen mit Bischof Hermann Spital in Trier an, um dort um deutliche Signale zu bitten. Über das Ergebnis dieses Treffen liegen mir bislang keine Informationen vor.
Für den 8. Dezember, den "Tag der unbefleckten Empfängnis" hatte man wieder tausende von Pilgern erwartet, doch wie die Saarbrücker Zeitung vom 09.12.1999 berichtete, war es ein ruhiger Pilgertag. Lediglich mehrere hundert Pilger kamen.
Mittlerweile reichte die Gemeinde Räumungsklage gegen den Kapellenverein ein. Zusätzlich fordert sie mittlerweile 138.787,93 DM aufgrund der teils chaotischen Verhältnissen, die der Verein nicht in den Griff bekam. Sollte sich der Kapellenverein weigern zu zahlen, will die Gemeinde vor Gericht ziehen.
"Nur beten kann noch helfen", meint der Kommentator Peter Wagner in der Saarbrücker Zeitung vom 20./21. November 1999. "Wie kann ein Ort wie Marpingen sich wehren, wenn er von einer offenbar zu allem entschlossenen marianischen Bewegung zum deutschen Lourdes auserkoren wurde? Was kann er gegen eine Welle von Marien-"Erscheinungen" ausrichten, die zwar friedlich, aber dennoch zerstörerisch über ihn schwappt?" Trotz aller Anstrengungen des Bürgermeister müsse man nüchtern sehen, dass aus Trier nicht viel Hilfe zu erwarten sein würde. Schließlich sei Bischof Spital gesundheitlich angeschlagen und habe mit der Caritas-Affäre und dem Richtungsstreit mit dem Papst in Sachen Abtreibung genug Ärger am Hals. Dazu käme, dass "ein klares Wort", wie Laub es fordert, im Widerspruch zur kirchlichen Praxis, solche "Erscheinungen wie die in Marpingen tunlichst nicht zu kommentieren, stünde. So kann der Kommentator den gepeinigten Bürgern von Marpingen nur eines raten: "Betet, dass der Kelch an Euch vorübergeht!"...
Ein Jahr nach den "Erscheinungen" in Marpingen gibt es immer noch Spannungen zwischen der Gemeinde und dem Kapellenverein, und die Pilgerzahlen sind gegenüber vor 1999 erhöht, wie die Saarbrücker Zeitung vom 10. August 2000 vermeldet. Gegenüber dem letzten Jahr ist die Zahl der Pilger freilich zurückgegangen. Am 15. August ist Patronatstag der Pfarrei Maria Himmelfahrt in Marpingen. Das Dach des der Kapelle ist frisch gestrichen - grün wie das Blätterdach des Härtelwaldes. Mühe hat sich der Kapellenverein gegeben, hofft er doch, dass die Untersuchungskommission unter Dr. Spital zu einem positiven Urteil bezüglich der Erscheinung kommen wird. Doch die Kommission lässt sich Zeit, auch wenn Bürgermeister Laub auf ein schnelles Urteil drängt. Die Gemeinde könne zwar mit den aktuellen Pilgerzahlen gut leben, doch kämen gut drei- bis viermal so viele Beter wie vor dem Erscheinungsjahr nach Marpingen. Diese Zahlen werden auch von Kapellenverein-Schreiner bestätigt.
Laub möchte, um dem verstärkten Pilgerstrom gerecht zu werden, die Infrastruktur um die Kapelle etwas verändern. Ein Bebauungsplan soll erstellt werden, so dass die Gemeinde die Entwicklung selbst steuern kann. Aktivitäten zeigt auch der Kapellenverein: Er will mitten im Ort in der Nähe des Marktplatzes ein Gebäude aufkaufen, das als Pilgerhaus dienen soll. Die Gemeinde pocht allerdings auf ihr Vorkaufsrecht. Der Kreisausschuss muss nun entscheiden.
Der Streit zwischen der Gemeinde und dem Kapellenverein bezüglich des gekündigten Pachtvertrages geht indes weiter. Anwälte befassen sich ausgiebig mit dieser Angelegenheit.
Mittlerweile hat der Gemeinderat die Gründung einer Stiftung "Marpinger Kulturbesitz" beschlossen: Mittelfristig sollen die Kapelle und die "Gnadenquelle" an diese Stiftung übertragen werden, um den Kulturbesitz zu sichern, wie Laub sagte. Weiter soll die Stiftung ein Sanierungskonzept für die Quelle erstellen.
Die Marienerscheinungen von Marpingen - Das Thema ist und bleibt ein Politikum...
"Noch kein Licht im Härtelwald", berichtet die Saarbrücker Zeitung vom 16. Januar 2001. Der Trierer Bischof Hermann Josef Spital, der die Kommission zur Prüfung der Vorgänge im Härtelwald leitete und bereits seit 1 1/2 Jahren darin arbeitete, trat mittlerweile zurück. Bisher habe man eine Reihe von Untersuchen, Gesprächen und Recherchen durchgeführt, doch das abgeschlossene Bischofswort sei noch nicht gesprochen worden. Dies wird wohl Spitals Nachfolger tun - irgendwann. Der Trierer Kirchenhistoriker Bernhard Schneider erwartet "in absehbarer Zeit keine Ergebnisse der Prüfungen angeblicher Marienerscheinungen im saarländischen Marpingen". Er stellt fest, dass man in Lourdes sechs Jahre und in Fatima noch länger gewartet habe. Mittlerweile ist es allen Predigern untersagt, im Zusammenhang mit Marpingen von "Seherinnen" und "Marienerscheinungen" zu sprechen.
Wie die Saarbrücker Zeitung vom 19. Juni 2001 berichtete, gab es eine Einigung zwischen dem Kapellenverein und der Zivilgemeinde Marpingen. Nach dieser Einigung kann der Kapellenverein auch im kommenden Vierteljahrhundert Pächter des kommunalen Kapellengeländes im Härtelwald bleiben. Sogar die "Gnadenquelle" und der Kreuzweg werden vom Kapellenverein verwaltet. Der Antrag auf Kündigung des Pachtvertrages durch die Gemeinde wurde zurückgezogen. Die ohne Erlaubnis errichtete Verkaufsstelle für Andenken wird nachträglich genehmigt. Der Kapellenverein darf auch ein Haus in der Marpinger Ortsmitte kaufen und nutzen. Zu dieser Einigung trugen nicht unwesentlich die gemäßigten Kräfte innerhalb des Kapellenvereins bei. Der Verein gesteht der katholischen Kirche nun die seelsorgerische Verantwortung auf dem Pachtgelände zu. Die Mitglieder und Aufnahmewilligen des Kapellenvereins müssen kein Glaubensbekenntnisse auf die angeblichen Marienerscheinungen mehr ablegen, und der Verein muss dafür sorgen, dass mit "Erscheinungen" nicht mehr geworben wird. In die Vorbereitungen muss künftig die Zivilgemeinde mit einbezogen werden.
Die oben erwähnten "gemäßigten Kräfte im Kapellenverein"
sind nicht weiter maßgebend, vielmehr behalten Fundamentalisten die
Oberhand, wie die Saarbrücker Zeitung vom 28.08.2001 berichet.
(Die Saarbrücker Zeitung spricht in diesem Zusammenhang sogar von
"Sekte" in Bezug auf den Kapellenverein und von "fundamentalistischen Sektierern").
Zwei Tage zuvor war die gütliche Einigung zunichte gemacht worden,
da die Mitgliederversammlung sich dagegen aussprach, den Verein für
jeden Aufnahmewilligen zu öffnen. 70 Personen - hauptsächlich
Marpinger - hatten die Aufnahme verlangt. Die Mehrheit im Verein wird derzeit
durch Auswärtige gestellt. Weiterhin gilt die umstrittene "Gesinnungsprüfung":
Wer dem Marpinger Kappellenverein beitreten will, muss sich zu den angeblichen
Marienerscheinungen von 1876 und 1999 bekennen. Die Gemeinde Marpingen
das Bistum Trier halten das nicht für akzeptabel. Somit ist der Vergleich
geplatzt, nach dem sich der Kapellenverein hätte verpflichten sollen,
jedermann Einlass zu gewähren und sich in religiösen Angelegenheiten
dem Bischof zu unterwerfen, um im Gegenzug die Betreuung der Kapelle und
der "Gnadenquelle" im Härtelwald zu überlassen. Zudem hätte
die Gemeinde auf ihre Forderung von 15.000 DM nicht mehr aufrecht erhalten.
Dies alles ist nun hinfällig, und die Gemeinde wird ihre Räumungsklage
wohl wieder aufnehmen, wodurch die Gemeinschaft ihr Herzstück, die
Kapelle, verlieren würde. Außerdem soll das Finanzamt mit Aberkennung
der Gemeinnützigkeit drohen.
Fazit: Alles ist wieder beim Alten. Es rauscht wieder im Härtelwald...
Wie die Saarbrücker Zeitung vom 19.11.01 berichtet, hatte die Nichtaufnahme 70 Marpinger Bürger in den Kapellenverein, der sich übrigens "Betende Familie" nennt, Konsequenzen: Dem Verein wurde der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt, und nun müssen die Spende (hunderttausende von DM!) versteuert werden. Der Kapellenverein hatte auch eine Immobilie erworben. Die Steuerschuld wurde auf rund 500 000 DM veranschlagt. Dazu kommen noch Gewerbesteuerforderungen der Gemeinde Marpingen. Offiziell verfügt der Verein über 400 000 DM und befindet sich - sofern die Angaben stimmen - in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten.
Letztlich war also die Inszenierung der Marienerscheinungen im Jahr 1999 (und vieles spricht ja dafür, dass es eine Inszenierung war) also vollkommen nutzlos, da man nach Bezahlung der Steuern genau so arm ist wie vorher. Da helfen auch keine neuen Marienerscheinungen, denn die Spendengelder müsste ja erneut versteuert werden, und die Räumlichkeiten werden dem Kapellenverein vermutlich nicht mehr lange zur Verfügung stehen: Für den Donnerstag den 22.11. wird vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken die Räumungsklage der Gemeinde verhandelt.
Marpingens Bürgermeister Werner Laub (SPD) kündigte an, dass das Bistum Trier die Gebetsstätte im Härtelwald anerkennen werde - nicht aber die Erscheinungen. Eine Allianz aus Kirchengemeinde, Gemeinde und einem Förderverein, der etwa den Namen "Kapellenverein neu" tragen könnte, könnten sich in Zukunft gemeinsam um Bauwerke und Glaubensfragen im Härtelwald kümmern. Dies scheint der Anfang vom Ende des Kapellenvereins "Betende Familie" zu sein...
Am Donnerstag, den 22. November 2001 tagte nun das Oberlandesgericht. Ohne Umschweife erklärten die zuständigen Richter, dass sich das in erster Instanz gefällter Urteil "eindeutig ließt" und "nachvollziehbar" sei. Allerdings bestünde das Problem, ob der Kapellenverein für die Wallfahrten und die entstandenen Kosten tatsächlich verantwortlich sei. Weiter hieß es: "Es stellt sich die Frage, ob in den Akten nicht genügend Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass er sie nicht nur geduldet, sondern zumindest gefördert hat." Danach stellten die Richter allerdings fest, dass die Sache "nach einer vergleichsweisen Einigung schreie", denn eine Lösung, die beiden Parteien gerecht werde, sei nicht möglich. Zudem gebe es auch "Dinge, die zwar allein am rechtlichen Maßstäben zu messen seien - denen das Recht aber nicht unbedingt gerecht werden" könnte. So rief der Richter beide Parteien dazu auf, einen Kompromiss zu suchen. Beide Parteien stimmten schließlich dem Vorschlag des Gerichts zu, den Prozess bis Ende Januar zu vertagen. Bis dahin hätten beide Parteien - wieder einmal - die Möglichkeit, sich zu einigen. Geschieht dies nicht, erfolgt endgültig ein Urteil. Heißt es...
(Quelle: Saarbrücker Zeitung vom 23.11.2001)
"Der Kapellenverein 'Betende Familie' Marpingen ist am Ende. Er muss nämlich das Gelände rund um die Kapelle im Härtelwald räumen und hat damit seinen Vereinszweck verloren. Die Justiz hat gesprochen", lesen wir in der Saarbrücker Zeitung vom 22. Februar 2002. Die Räumungsklage, die einen Tag zuvor erneut verhandelt wurde, hatte in letzter Instanz Erfolg. Gelände und Immobilen müssen an die Gemeinde zurückgegeben werden, ansonsten käme es wohl zu Zwangsmaßnahmen.
Bei einer Prüfung der Bücher des bis März 2001 von Gottfried Schreiner geleiten Vereins (er wurde dann von dem Losheimer Bauunternehmer Kurt Josef Reinert abgelöst) wurden haarstäubende Mängel in Schreiners Zeit festgestellt. Seiten in den Büchern waren herausgerissen und Nachweise von Kassenbeständen fehlten. Am Wochenende des größten Pilgerandrangs soll nicht mehr eingenommen worden sein als an gewöhnlichen Tagen.
Bürgermeister Werner Laub will nun zusammen mit derr Kirchengemeine eine "stabile Ordnung" an der Maria-Verehrungsstätte sorgen. Für's erste wird die Zivilgemeinde selbst die Rolle des Hausherrn übernehmen.
"Warum schweigt der Trierer Bischof?" fragt Guido Peters in der Saarbrücker Zeitung vom 29. Januar 2004. "Wir bemühen uns, dass es keine Ewigkeit mehr dauert", kommentierte der Leiter des bischöflichen Gerichtswesens, Klaus Peters die Frage, wann endlich ein Urteil von Diozösan-Bischof Reinhard Marx über die angeblichen Erscheinungen von 1999 zu erwarten sei. Er leitet die Arbeitsgruppe, die die Schache untersucht. Zehn Aktenordner hat die Arbeitsgruppe bisher zusammengetragen. Das Ergebnis soll "möglichst bald" in einem Abschlussbericht zusammengefasst werden. Genaueres verlautet nicht aus Trier. Man betont jedoch, dass Marpingen "ein Ort des Gebets" sei. Diese Meinung wird auch von dem neuen Trierer Weihbischof Robert Brahm und Werner Laub vertreten. Eine Mio. Euro möchte er in den infrastruktuellen Ausbau des Härtelwaldes stecken, wobei 70% des Geldes aus EU-Töpfen kommen sollen. Das Tourismus-Institut Trier hat Marpingen eine "spirituelle Einzigartigkeit" bescheinigt. Trotzdem möchte man auch weltliche Dinge wie Wellness-Center errichten. "Einen Rummelplatz wird es dort aber nicht geben", betont Laub. Immerhin. Der emerierte Saarbrücker Theologie-Professor Gotthold Hasenhüttl wertet den Marpinger Pilger-Tourismus als "Geschäftemacherei mit pseudo-religiösen Erfahrungen". Dem möchte man sich anschließen. Hasenhüttls Vermutung geht dahin, dass die Trierer Amtskirche auf Jahre hinaus keine Entscheidungen zu den Vorgängen im Härtelwald treffen werde, weil dort "der kirchliche Hierarchie-Anspruch" nicht in Frage gestellt würde.
Guido Peters meint in einem seperaten Kommenar in der gleichen Ausgabe der Saarbrücker Zeitung zu diesem Thema, dass gerade in Zeiten wachsender Unsicherheiten Menschen nur allzu gerne Halt und Orientierung in pseudo-religiösen Erfahrungen suchten und ihre Hoffnung darauf setzten, dass sich dann ihre Probleme auf wundersame Weise selbst lösen würden. Diese "Leicht-Gläubigen" hätten allerdings ein Recht darauf, dass sie die Kirche vor möglichen Scharlatanen schütze. Deshalb fordert er ein klares Wort vom Bischof.
Die Gemeinde Marpingen erhält vom Land Investitionsmittel in Höhe von ca. 90 000 €. Der Härtelwald soll damit für die Touristenströme besser als bisher vorbereitet sein, erklärte der saarländische Wirtschafts- und Arbeitsminister Hanspeter Georgie von der CDU am 11.07.2005. Die Gemeinde plant, die Zahl der Besucher von den jetzigen 50 000 auf dauerhaft auf 200 000 zu steigern.(SR1-Radio vom 11.07.05, SR3-Videotext vom 11.07.2005 und Saarbrücker Zeitung vom 12.07.2005)
Wie u. a. Spiegel-Online vom 14. Dezember 2005 meldet, werden die Marienerscheinungen in Marpingen von der Kirche nicht anerkannt. Trotz der Ablehnung solle aber die Marienkapelle im Härtelwald als "Ort des Gebets und der Verehrung der Gottesmutter Maria erhalten bleiben," sagt Reinhard Marx. Laut Kommission hätten sich die Geschehnisse nicht bestätigen lassen. "Es steht nicht fest, dass den Ereignissen in Marpingen aus den Jahren 1876 und 1999 ein übernatürlicher Charakter zukommt", hieß es in dem erlassenen Dekret. Es bestünden "schwerwiegende Gründe, die es nicht erlauben, sie als natürliches Geschehen anzuerkennen. Sowohl humanwissenschaftlich als auch theologisch habe es Unstimmigkeiten gegeben. In der kirchlichen Verkündigung darf künftig nicht mehr von "Seherinnen" und "ergangenen "Botschaften des Himmels" gesprochen oder geschrieben werden. Die Marienverehrung sei nicht an eine Erscheinung geknüpft, sondern im Neuen Testament begründet. Ich frage mich allerdings, wo dort.